Sohn und Mutter malen zusammen

Corona oder: Wie einsam dürfen Kinder sein?

In der Corona-Krise, gilt Social Distancing auch für Kinder. «Spielinseln» sollen sie mit wenigen, immer gleichen Kindern bilden – ein Praxistest.

Als es mit Corona ernst wurde, dachte ich mir: Liebe Freunde, auf bald in unbestimmter Zukunft. Meine Familie zog sich zurück und verabredete sich fortan mit – niemandem. Das lief gut, sehr gut sogar. Der Alltag ohne Ablenkung und äussere Einflüsse, ohne Turnverein, Abmachen und Arzttermin entsprach mir ganz und gar. Familienleben im Konzentrat – grossartig! Ausserdem gefiel mir die Gewissheit, dass es aufgrund unserer strengen Auslegung des Social Distancing schier unmöglich war zu erkranken, weder an Covid-19 noch an Wilden Blasen oder einer Magen-Darm-Grippe.

Wir lebten also vergnügt in unsere Einsiedelei, spielten Playmobil, kochten neue Rezepte, schaufelten im Garten und telefonierten und skypten exzessiv. Natürlich gab es immer wieder mal dicke Luft, da sich nun eben wirklich alles daheim abspielte: Homeschooling, Homeoffice, Hometraining wollen geübt sein. Im Wohnzimmer herrschte ein Riesenchaos (woher kam all das Spielzeug?!) und die Leere im Kühlschrank war beeindruckend (Wahnsinn, was wir verputzen, wenn die ganze Familie sieben Tage die Woche daheim ist). Doch trotz allem: Wir fühlten uns gut, gesund und geerdet wie schon lange nicht mehr.

Dann allerdings erreichten auch unseren Mikrokosmos Gerüchte aus dem Dorf. Unsere Kinder bekamen Wind davon, dass manche Gspänli einander treffen. Immer häufiger fragten sie, warum genau bei uns daheim die Abmachverbote so rigoros umgesetzt würden. «Damit wir alle gesund bleiben», antworteten wir Eltern – und merkten, dass dieses Argument vielleicht noch ein paar Tage funktionierte. Doch ein Ende der Krise war noch längst nicht in Sicht.

Es war Zeit herauszufinden, wie wir als verantwortungsvolle Bürger und mitfühlende Eltern das Social Distancing praktizieren könnten. Die Antworten unserer Bekannten waren vielseitig. Bei den einen trafen die Kinder niemanden. Die anderen hatten die Kontakte auf Cousinen und Cousins beschränkt. Und manche liessen ihre Kinder spielen, mit wie vielen Kindern auch immer, aber ausschliesslich draussen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Massnahmen soll es in kinderreichen Siedlungen zu dramatischen Situationen gekommen sein: Kinder, die weinend am Gartenhag standen und ihren Gspänli beim Versteckenspiel zuschauen mussten. Fies.

Nach dieser Ernüchterung wünschte ich mir insgeheim, der Bundesrat würde eine klare Weisung geben (am liebsten diese: «Abmachen ist verboten!») und somit uns und allen Eltern die Entscheidung abnehmen. Aber das BAG schrieb nur, dass Treffen von maximal fünf Kindern «möglich» seien und darauf geachtet werden müsse, dass nicht auch noch Erwachsene zusammenkämen.

Inzwischen weiss ich: Schwarz und weiss gibt es in der Causa Corona nicht. Jede Familie muss ihre eigenen Regeln definieren. Auch wir. Nur eines müssen alle Eltern: Verantwortung übernehmen.

Über die Autorin

Eva Wirth (38) lebt mit ihrem Partner und den drei Kindern (null, drei und sechs Jahre) in einem Dorf nahe Zürich. Im Alltag der fünf kommen eher Lieder von Mani Matter zum Zug als Tipps aus Erziehungsratgebern. Eva Wirth arbeitet als Redaktorin, macht derzeit aber Babypause.

Eva Wirth