Kind auf Skis

Nervenkrieg am Zauberteppich

Explosive Stimmung beim Skifahrenlernen: den Sport wechseln oder erst recht in die Hocke?

 

Die Sonne strahlt, der Schnee glitzert, und man munkelt, dass dies der schönste Tag der Saison werden würde. Nicht für mich. Denn meine sechsjährige Tochter und ich wollen das Skifahren üben. Und das bedeutet: hard stuff.

Erfahrungsgemäss geht es beim Einklicken unserer Skibindungen bergab – mit unserer Stimmung, unseren guten Vorsätzen und unserer Geduld. So war es bei unseren bisherigen Skitagen, so ist es auch heute. Schon beim Trippeln zum Zauberteppich geraten meine Tochter und ich uns in die Haare.

Ich: «Die Skier müssen gerade nebeneinander liegen.»
Sie: «Geht nicht.»
Ich: «Schau, wie ich es mache.»
Sie: «Tu ich doch!»
Wieder sie:
«Auuuua!»
Ich: «Nicht schlimm. Ich zieh dich hoch.».
Sie:
« Es! Ist! Sehr! Wohl! Sehr! Schlimm!»

In diesem Ton geht es weiter, und nach zweimal Pizzamachen (so sagt man ja heute dem Stemmbögelen) hören wir vor lauter Schnauben und Explodieren die Alpendohlen nicht mehr krähen.

Im Dreiminutentakt frage ich mich, wozu das alles soll. Es ist ja nicht nur der Nervenkrieg, der meines Erachtens einen Skitag grenzwertig macht, sondern auch die Materialschlacht, Kosten, Ökobilanz und Verletzungsgefahr. So gesehen spricht alles gegen das Skifahren. Erst recht, weil weder mein Partner noch ich begeisterte Wintersportler sind. Uns passen Flipflops einfach besser als Skischuhe, und Pizzaessen entspricht uns mehr als Pizzamachen.

Blöd ist nur: Mir liegt viel daran, dass unsere Kinder Skifahren lernen. Dieser Anspruch ist absurd, ich weiss, hat aber seine Gründe. Erstens vermute ich, dass es als Erwachsener ein Ding der Unmöglichkeit ist, das Fahren auf zwei Brettern zu lernen. Zweitens sehe ich das Skifahren als eine Art Schweizer Kulturgut, das ich meinen Kindern näherbringen möchte.

Bei diesem Näherbringen liegt vermutlich das Problem. Ich hätte es von Anfang an einem Profi überlassen sollen. Skischule!, am besten mehrere Tage hintereinander. Dann würden meine Tochter und ich heute vergnügt die blaue Piste runtersausen, auf dem Sessellift Lieder trällern und in der Beiz bei einem Rivella Witze erfinden.

Stattdessen stehen wir neben dem Zauberteppich, eher frustriert als verzaubert, und erholen uns von einem weiteren Sturz. Da fährt uns jemand winkend entgegen. Es ist mein Schwager, der in der Nähe wohnt. «Hey, kommst du mit?», ruft er meiner Tochter zu und zeigt mit seinem Skistock auf einen Bügellift. Ich will klarstellen, dass wir noch in der Aufwärmphase sind und eine längere Abfahrt gewiss keine gute Idee ist. Aber was macht meine Kleine? Sie strahlt und kurvt meinem Schwager einfach hinterher. Sie geht sogar in die Hocke! Ich bin halb beleidigt, halb entzückt und entscheide mich zum sofortigen Rücktritt als familieninterne Skilehrerin. Und so wird dieser Tag auch für mich zum allerschönsten der Saison.

Über die Autorin

Eva Wirth (38) lebt mit ihrem Partner und den drei Kindern (null, drei und sechs Jahre) in einem Dorf nahe Zürich. Im Alltag der fünf kommen eher Lieder von Mani Matter zum Zug als Tipps aus Erziehungsratgebern. Eva Wirth arbeitet als Redaktorin, macht derzeit aber Babypause.

Eva Wirth