So what?

Hilfe, ich bin zur Meckertante geworden!

Andere Herangehensweisen zu akzeptieren kann ja nicht so schwierig sein, oder?

Ich habe ein Problem. In den letzten Wochen bin ich zu einer Meckertante geworden. Noch vor wenigen Monaten war meine Toleranz gegenüber anderen Herangehensweisen einwandfrei funktionierend, ehrlich. Aber jetzt ist sie weg. Wenn jemand – sprich: mein Partner – eine Sache anders erledigt als ich es mir vorstelle, sage ich mir nicht «Was soll’s», sondern reklamiere und korrigiere.

Mein Partner ist weise. Er begegnet meiner monströsen Nörgelei mit einem Nicken, wohlwissend, dass sie ein Auswuchs des hormonellen Tohuwabohus in der Stillzeit ist und irgendwann wieder abflacht. Diese Zurückhaltung und Zuversicht weiss ich zu schätzen. Aber die Situation beschämt mich. Nonstop nörgeln, korrigieren, besserwissen  – wer macht denn so was?! Und so kam es, dass ich in Eigenregie eine Therapie begann, die So-what!-Therapie.

Die geht so: Ich lasse meinen Partner tun und walten, verbiete mir jeden giftigen Kommentar und jedes Motzen. Liegt in der Znünibox ein Farmerstängel statt einer Maiswaffel? Ich packe nichts um. Mein Partner hängt die Wäsche im Keller statt unter dem Vordach auf? Kein Mucks von mir. Auch wenn er Hörnli auf Stufe neun kocht oder die Kinder barfuss in die Gummistiefel steigen lässt, atme ich nur tief durch und spreche mein Mantra: So what!

Während knapp einer Woche klappte das hervorragend. Ich war beeindruckt von meinen Fortschritten und wähnte mich geheilt. Da kam der Samstag. 

Mein Partner zog mit den beiden Mädchen los auf eine Shoppingtour. Die Kleiderbeschaffung war zwar bisher meine Domäne gewesen, aber die Mädchen brauchten dringend je ein paar Leggins. Ausserdem war ich ja jetzt therapiert; selbst Hosen mit Hello-Kitty- und Eisprinzessin-Aufdrucken würden mich nicht aus meinem Toleranz-Flow reissen.

Weit gefehlt. Die drei kehrten nicht nur mit Leggins zurück, sondern mit Säcken voller Kleider: Jupes, Shirts und Socken, in allen Grössen (!), in allen Farben. Und als die Mädchen auch noch zwei neue Tischventilatoren hervorzauberten, half noch so tiefes Durchatmen nichts: Ich motzte und schimpfte. Der totale Rückfall!

So what.

Über die Autorin

Eva Wirth (38) lebt mit ihrem Partner und den drei Kindern (null, drei und sechs Jahre) in einem Dorf nahe Zürich. Im Alltag der fünf kommen eher Lieder von Mani Matter zum Zug als Tipps aus Erziehungsratgebern. Eva Wirth arbeitet als Redaktorin, macht derzeit aber Babypause.

Eva Wirth